Kom|plement

Syn.: C (Abk.)

complement (system)

Abbildung   Abbildung

(Ehrlich) im Blutplasma des Menschen (u. fast aller Tiere) in unterschiedlicher Menge, Wirksamkeit u. Zusammensetzung vorhandenes, der Abwehr dienendes, funktionelles System („Komplementsystem“), das aus thermolabilen Plasmaproteinen (alle als Proteasen definiert) besteht. Im klassischen System unterscheidet man 11 Proteine, bezeichnet – nach dem Zeitpunkt ihrer Aufklärung – als C1 (C1q, C1r, C1s) bis C9 sowie durch den Zusatz „a“ oder „b“ für aktivierte Fragmente = Spaltprodukte u. durch Querstrich über dem Gesamtsymbol als Zeichen der Aktivierung (s.a. Abb.). Im Komplementsystem wird ein alternativer Weg der K.-Aktivierung vom klassischen Weg der K.-Aktivierung durch Antigen-Antikörper-Komplexe (AG-AK-Komplexe) unterschieden. Die K.-Aktivierung führt zu Zerstörung (Lyse) von Fremdzellen, zu Änderung der Oberflächeneigenschaften von Zellmembranen u. zu Membranaktivierung (Freisetzung von biologisch wirksamen Substanzen). Hierbei werden auch Mechanismen des unspezifischen Abwehrsystems in Gang gesetzt (z.B. Opsonin, Komplement-Properdin-System). Bei starkem Verbrauch erfolgt sehr rasch Neubildung (in Makrophagen, Fibroblasten, Epithelzellen u. in den Kupffer-Zellen der Leber). Reaktionsreihenfolge des klassischen K.-Aktivierungswegs: zunächst Bindung von C1q an das Fc-Fragment der Immunglobuline IgG oder IgM u. Bildung von aktiviertem C1qrs, das dann als Esterase C4 spaltet; das Fragment C4b wird am AG-AK-Komplex verankert u. bindet – bei Anwesenheit von Mg2+ – C2, das durch C1-Esterase ebenfalls gespalten wird; C2a verbindet sich mit C4b zum 4-2-Enzym („C3-Konvertase“), welches wiederum C3 u. C5 spaltet. Die freigesetzten Fragmente C3a u. C5a sind Entzündungsmediatoren (i.S. der anaphylaktischen u. chemotaktischen Aktivität); C3b bildet mit dem 4-2-Enzym einen biologisch aktiven Komplex, der Immunadhärenz, Opsonisierung, Konglutination bewirkt. Die Aktivierung von C6–C9 erfolgt über C5b nicht enzymatisch, sondern durch Anlagerung; der fertige Komplex „C5b678Poly9“ führt über Zellmembranschädigung zur Zytolyse. Die K.-Aktivierung des alternativen Wegs erfolgt Antikörper-unabhängig durch Kombination der Faktoren C3b u. B zu C3bB, welches eine starke C3-Konvertase ist (Verstärkungsschleife), z.B. durch Properdin, Membranbestandteile oder Lipopolysaccharide. Komplementsynthesedefekte manifestieren sich in erblichem angioneurotischem Ödem („HANE“; s.u. Angioödem durch C1-Inhibitor-Mangel), gehäuften Infektionen, Lupus erythematodes u. LE-ähnlichen Krankheiten, Glomerulonephritis, Dermatomyositis. Krankheiten mit Komplementverbrauch infolge Aktivierung des klassischen Ablaufs durch AG-AK-Komplexe sind immunhämolytische Anämien, akute Glomerulonephritis, Glomerulonephritis mit zirkulierenden Immunkomplexen, Kryoglobulinämie, Lupus erythematodes, rheumatoide Arthritis, generalisierte Vaskulitiden, Pemphigus vulgaris, bullöses Pemphigoid, Hepatitis, Denguefieber mit hämorrhagischem Schock, Malaria, die Frühphase der Transplantatabstoßung; Krankheiten mit Komplementverbrauch infolge Aktivierung des Properdinsystems sind die hypokomplementämische membranoproliferative Glomerulonephritis, Taubenzüchterkrankheit, Herpes gestationis, Dermatitis herpetiformis, das Shwartzman-Sanarelli-Syndrom u. die paroxysmale nächtliche Hämoglobulinurie (Marchiafava-Anämie). Komplementerniedrigung mit ungeklärter Ursache liegt vor bei α1-Antitrypsin-Mangel, Agammaglobulinämie. Erhöhung des Komplementspiegels erfolgt unspezifisch bei Infektionen (als Akute-Phase-Proteine), bei Mukoviszidose (C3 u. C5). S.a. Schema.

Verwandte Themen:

Angioödem durch C1-Inhibitor-Mangel; Antikörper, zytotoxische; C 1); C1-Inaktivator; C1-Inhibitor; Deviabilität; GBG 2); Granulozyten; Hämolyse; Immundefekt 1); Immunhämolyse; Immunkomplexe 1); Komplement-Properdin-System; Komplementsystem; Opsonine; Properdin

Ausgewählte Internet-Seiten:

Deutsche Gesellschaft für Biochemie und Mikrobiologie

© Urban & Fischer 2003 – Roche Lexikon Medizin, 5. Aufl.